Lange Zeit wurde an der Martinus-Schule als Schreibschrift die Vereinfachte Ausgangsschrift (VA) gelehrt. Dieser Schreibschriftlehrgang nahm einen großen Teil des Deutschunterrichtes der Klasse 2 ein. Obwohl alle Buchstaben zeitintensiv geübt wurden, beobachteten wir in Schriftproben aus mehreren vierten Schuljahren, dass die Mehrheit der Kinder die VA nach einiger Zeit gar nicht mehr benutzten. Sie waren zu einer gut lesbaren Druckschrift zurückgekehrt und entwickelten daraus ihre eigene individuelle Handschrift. Die vereinzelten Kinder, die noch mit der Vereinfachten Ausgangsschrift schrieben, hatten oftmals kein sauberes Schriftbild, da die Buchstaben nicht formklar oder sogar zu unleserlichen Buchstabenformen verschmolzen waren.
Für uns stellte sich damit die Frage, warum wir einen Großteil des Deutschunterrichts im 2. Schuljahr für die Vermittlung einer Ausgangsschrift verwenden, wenn die Endergebnisse entweder unzulänglich sind oder das Erlernte von den Kindern gar nicht genutzt wird.
Das Erlernen der VA als Ausgangsschrift sehen wir als unnötigen Umweg. Warum sollen die Kinder mühevoll eine zweite Schrift erlernen? Nur um dann im Weiteren mit dieser zweiten Schrift die eigene persönliche Handschrift zu entwickeln?
Die Lösung des Problems sehen wir in der Vermittlung der Grundschrift.
Diese Schrift ist eine Schreibschrift, die mit der gedruckten Leseschrift korrespondiert. Sie ist besonders formklar und deshalb gut lesbar. Mit zunehmender Schreibübung ist sie flüssig schreibbar und kann bei weiterem Gebrauch zur individuellen Handschrift weiterentwickelt werden. Die Kinder müssen nicht mehr den Umweg über die 2. Schrift, die VA gehen, sondern erlernen nur eine Schrift, die sie weiterentwickeln.
Die Vermittlung erfolgt in zwei Phasen, in Phase eins steht bei uns das Erarbeiten der Buchstaben im Vordergrund, wobei die Kleinbuchstaben bereits in der Form erarbeitet werden, die für mögliche Verbindungen nützlich sind.
In einer zweiten Phase arbeiten wir mit der bereits erlernten Grundschrift weiter. Es werden Verbindungen und Buchstabenvarianten ausprobiert und Kriterien für formklare Buchstaben werden erarbeitet. Die Kinder erproben, was für die Geläufigkeit ihrer eigenen Schrift günstig ist und wie sie weiterhin gut leserlich bleibt. Die Kinder entscheiden selbst, was ihnen dabei gut gelingt und was sie deshalb in ihre persönliche Handschrift übernehmen wollen. Sie beraten sich gegenseitig und achten dabei insbesondere auf gute Lesbarkeit und schwungvolles Schreiben.
Unser Ziel des Schreibenlernens ist also nicht der Erwerb einer genormten Schrift, sondern die Entwicklung einer verbundenen, persönlichen Handschrift, die formklar und flüssig zu schreiben ist (vgl. die Bildungsstandards der KMK 2004). Deshalb ist es notwendig, dass die Kinder in diesem Prozess eine aktive Rolle übernehmen. Das Konzept der Grundschrift ist so angelegt, dass die Kinder von Beginn an angeregt und motiviert werden, sich mit ihrem persönlichen Schreibprozess sowie ihren Schreibprodukten kritisch auseinanderzusetzen. Dieser Prozess wird durch Betrachten von Schriftproben, Experimentieren mit Schrift und Beratung durch die Lehrkraft unterstützt. Die unterschiedlichen Lernvoraussetzungen der Kinder werden dabei von Anfang an berücksichtigt und bestimmen die jeweils nächsten individuellen Entwicklungsschritte.